Gottes Plan

  1. In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. 
  2. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. 
  3. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! 
  4. Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. 
  5. Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. 
  6. Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, 
  7. und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. 
  8. Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! 

Was für ein Erlebnis. Wenn wir so etwas erleben würden: Der Himmel reißt auf und wir schauen Gott. Wir sehen nach oben, aber da sind keine Holzbalken. Wir sehen direkt in den Himmel. Ich versuche mir vorzustellen, wie wir so etwas verkraften würden: Grade noch im Gottesdienst und von der Kirche verschwindet plötzlich die Decke. An den Wänden: Stoffbahnen, und wenn man raufsieht erkennt man: Es ist das Gewand Gottes, der auf dem Thron sitzt. Da sind Engel mit sechs Flügeln und Rauch und Stimmen, die unsere Kirche zittern lassen. Davon könnte man Angst bekommen.

Viele Menschen haben Angst vor dem Übernatürlichen, Unerklärlichen, Geheimnisvollen. Unser Verstand kann damit nicht gut umgehen. Wir würden uns aber auch aus einem anderen Grund fürchten:

Das Licht Gottes lässt uns erkennen was mit uns los ist: Sünde. Dinge die Gottes Plan im Weg stehen. Eine Sünde sticht heraus:

Das böse Reden. Lügen, Gerüchte verbreiten, Lästern. Wer bist Du Prediger? Was ist dein Volk? Wir sind das Volk mit den unreinen Lippen. Da machen wir heute keinen großen Unterschied.

Eine glühende Kohle reinigt seine Lippen und er soll Botschafter werden.
An Jesajas Stelle hätte ich begeistert gedacht:

Alles klar. Das ist Gottes Plan. Mit dieser gewaltigen Offenbarung werde ich dem Volk predigen, sie werden erkennen wo sie von Gott abgewichen sind. Die Predigt ist die Lösung. Das Feuer dieser Kohle soll sich ausbreiten.

  • Sie werden Buße tun und sich mit Gott wieder versöhnen.
  • Sie werden sich bekehren, nach Gottes Plan leben und alles wird gut.
  • Dann habe ich meinen Auftrag erfolgreich ausgeführt.

Diese Kohle wirkt aber nur für einen. Ich lese weiter:

9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht!
10 Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschließe und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.
11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.
12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegführen, sodass das Land sehr verlassen sein wird.

Gottes Plan ist offensichtlich ganz anders.

Jesajas Dienst soll bewirken, dass sie sich  – nicht –  bekehren. Gott legt die Perspektive für seinen Dienst fest: Misserfolg. Er will die Menschen nicht zu sich führen, sondern – erstmal – wegführen.

Was hat Gott für geheimnisvolle Pläne? Die Aussichten sind für Prediger und Gemeinde nicht ermutigend. Muss ich jetzt als Prädikant einen ähnlichen Dienst tun? Das passt nicht zu dem was ich erwartet hätte. Gilt das auch uns heute?

Spontan denke ich: Das war ja altes Testament. Schauen wir schnell ins Evangelium.
Da wird doch hoffentlich alles ganz anders.

Die Jünger fragen Jesus, warum er in Gleichnissen zu den Leuten spricht. Er sagt:  „Sehen sollen sie, aber nicht erkennen, hören sollen sie, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird.“ (Mk 4,12)

Oha – also hat Gott auch hier seine geheimnisvolle Karte gezogen. Er hat geheimnisvolle Pläne. So schnell komm ich aus der Nummer nicht raus.
Das behagt mir nicht – ah ich weiß:

Die Reformation bringt doch bestimmt Licht in die Sache. Ich fand ein Lutherwort dazu:

Die Vernunft ist das größte Hindernis in Bezug auf den Glauben, weil alles Göttliche ihr ungereimt zu sein scheint.

Wenn Luther das Geheimnis nicht auflösen konnte, was soll ich dann dazu sagen?

Bei mir persönlich ist es so:

Früher dachte ich: Je besser ich Gott kennen lerne, um so weniger geheimnisvoll wird er mir sein. Er hüllt sich nur in das Geheimnis. Es war aber genau umgekehrt: Je besser ich Gott kennen lernte, um so geheimnisvoller wurde er. Ich erkannte: Er ist eine geheimnisvolle Person. „Geheimnisvoll“ beschreibt sein Wesen. Er ist das Geheimnis.

Ich muss ihn nicht entschlüsseln um ihn zu verstehen. Ich muss mich nur auf ihn einlassen.

Wenn ich gemerkt habe, dass er geheimnisvoll ist habe ich ihn schon verstanden.

„Fremdartig geheimnisvoll“  wird zu „vertraut geheimnisvoll“.

Mein Druck verstehen zu müssen wurde abgelöst von einem Hunger nach mehr Geheimnissen. Kindliche Neugier.

Ist es heute noch wie zu Jesajas Zeiten?
Einen Teil seiner Botschaft brauche ich nicht zu Predigen – das tut jeden Tag die Tagesschau. Die Bedingungen heute sind: Menschen wenden sich ab, weltweit Verfolgungen wie nie.

Wird Gott da auch heute noch geheimnisvoll eingreifen? Was ist Gottes Plan und was wird das Ergebnis sein?

Ich habe das Ende des Predigttextes noch nicht gelesen: 13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals kahl gefressen werden, doch wie bei einer Terebinthe oder Eiche, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Bei der Arbeit an dieser Predigt kam ich an diesem Punkt nicht weiter. Was ist mit Heute? Darum geht es ja schließlich.

Da hat Johannes, mein Sohn mich unterbrochen.

Gelegentlich will er, dass ich Ihm Bilder auf Google zeige oder Dinge am Computer erkläre. Ich sollte ihm das Lied von dem Film „Trolls“ vorspielen. Das ist ein Animationsfilm von Disney. Eigentlich wollte ich nicht, aber er kann sehr beharrlich sein. Na gut, dachte ich, ich komme hier eh nicht weiter und er gibt keine Ruhe bis er es gesehen hat.

Also: Youtube an, Titel gesucht.  Das Musikvideo startet:

„Hello Darknes my old Friend,
I come to talk to you again“

Ich lache: Die haben doch tatsächlich „Simon&Garfunkel“ wieder ausgegraben. Auf dem Video läuft der Songtext mit:
Hallo Dunkelheit, mein alter Freund,
Ich bin gekommen, um wieder mit dir zu sprechen,
….

Hm – geheimnisvolles Lied – könnte das zu meinem Thema passen? Wäre doch ein großer Zufall. Ich kenne das Lied nur ungefähr. Von was handelt das eigentlich? Das Lied geht weiter:

Und in dem nackten Licht sah ich
Zehntausend Menschen, vielleicht mehr.
Leute, die redeten, ohne zu sprechen
Leute, die hörten, ohne zuzuhören
Leute, die Lieder schrieben, die nie gesungen wurden
Und niemand wagte sich
Den Klang der Stille zu stören.

„Narren“ sagte ich, „Ihr wisset nicht,
Dass die Stille wächst wie ein Geschwür.
Hört meine Worte, mit denen ich euch belehren könnte.
Ergreift meine Arme, die ich euch reichen würde.“
Doch meine Worte fielen wie leise Regentropfen
Und hallten wider
In den Brunnen der Stille

Und die Menschen verneigten sich und beteten
Zu dem Neon-Gott, den sie geschaffen hatten.
Und das Leuchtzeichen strahlte seine Warnung aus,
In den Worten, die es darstellte.
Und das Leuchtzeichen sagte:
„Die Worte der Propheten stehen an den U-Bahn-Wänden geschrieben
Und in den Fluren der Mietskasernen
Und werden geflüstert – im Klang der Stille.“

Was für eine geheimnisvolle Fügung. Ich frage mich ob die Songwriter einen prophetischen Geist hatten. Die gleiche Botschaft – auch heute. Wie besonders, dass Johannes grade jetzt darauf bestanden hatte, dieses Lied zu hören. Es ist genau das gleiche Thema. Wie geheimnisvoll und doch im Heute.

Es gibt damals wie heute Hoffnung. Es geht darum, dass ein „Heiliger Same“ freigesetzt werden soll. Gott will uns auch heute auf geheimnisvolle Weise helfen. Es klingt schlimm, dass die ganzen Pflanzen abgemäht werden, aber es schafft Platz für den wesentlichen, den heiligen Samen. Also kommt Gott doch ans Ziel – nur nicht so direkt wie ich dachte.

Die Moderne hat gedacht: „Alles verstehen“ ist die Lösung. Aber das Neon-Licht, das wir mit unserer Vernunft selber gemacht haben flackert.  Es rettet uns nicht. Genau in diesem Moment werden im Lied die Worte der Propheten wiederentdeckt.

Was wird die Zukunft bringen? Es wird unruhiger in der Welt. Die Antworten gehen den Menschen aus.

Vernünftige Antworten sind immer begrenzt. Darum will Gott keine neuen „vernünftigen“ Antworten liefern, sondern geheimnisvolle Dinge tun. Dabei entstehen dann mit Gott erlebte Geschichten. Zeugnisse für das Wirken Gottes wie er – manchmal auf Umwegen – die Menschen führt.
Ich rechne fest damit.

Das ist meine Sicht auf die Zukunft und Gottes Plan. Es wird sich zeigen ob ich damit richtig liege. Der Gott den wir verstehen, ist nur sein Bild in unseren Gedanken.  Er selbst ist immer größer als das.

Ohne Vertrauen haben wir nur Angst. Vor der Welt und am Ende sogar vor Gott,  weil wir ihn nicht verstehen.

Wir werden nicht gefällte Bäume sein, sondern mit dem heiligen Samen wachsen wenn wir dem Gott vertrauen der größer ist als unser Verstand. Wollen wir uns auf den geheimnisvollen, übernatürlichen Gott einlassen?  Ihm vertrauen, auch wenn er uns ungereimt zu sein scheint?

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.