Gott heilt? Gilt das noch heute? Liebe Gemeinde. Predigten schließen bei uns meistens mit den Worten.: „Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Ich mag diese Worte besonders. Da wird etwas höher als die Vernunft genannt. Vernunft ist an sich nichts Schlechtes und es ist ratsam sie zu befolgen. Unser modernes Denken ist sehr von Vernunft geprägt, was unserer Gesellschaft in vielen Bereichen Fortschritt beschert hat. Ich weiß aber auch, dass alles seine Grenzen und richtige Gewichtung hat. Auch die Vernunft. Wenn alles immer „vernünftig“ sein muss, gibt es auch keine Räume mehr für Kreativität, neues ausprobieren oder auch einmal Dinge tun die „aus dem Bauchgefühl“ richtig sind. Dann sind wir so „vernünftig“ geworden, dass wir davon beschränkt sind. In dieser Predigt will ich die Frage bewegen, wie viel Vernunft gut für uns ist. Was vernünftig ist, hat sich im Laufe der Zeit auch immer wieder gewandelt und jeder muss sich selber die Antwort geben welches Maß gut für das eigene Leben ist.
Darum möchte ich euch zwei Berichte vorlegen von verschiedenen Orten aus verschiedenen Zeiten.
Lasst diese beiden Berichte einmal auf euch wirken.
Kapernaum, ungefähr im Jahr 30
Jesus war endlich wieder nach Kapernaum gekommen. Das bedeutete jetzt gehen oder wieder warten bis er eine seiner Reisen abgeschlossen hätte.
Unser Freund lag krank. So krank, dass er nicht aufstehen konnte. Er war gelähmt, konnte nicht einmal selber aus dem Bett kommen.
„Geh mit uns zu seinem Haus“ überzeugten wir Freunde ihn. „Du wirst schon hinkommen mit unserer Hilfe. Hingehen ist ein Akt des Glaubens, Gott wird sehen, dass Du dich auf den Weg gemacht hast.“
Der Rabbi Jesus machte Abendversammlungen, bei denen auch für Menschen persönlich gebetet wurde. Auch für Kranke. Das hatten wir erfahren.
Langsam trugen wir Ihn zum Haus des Meisters. An einem Punkt kamen wir nicht weiter. Wir waren zu erschöpft um weiter zu gehen.
Sollten wir lieber umkehren?
Gott heilt? Gilt das noch heute?
Aachen, 1992
Ich lag krank, so krank, dass ich nicht aufstehen konnte. Lähmendes Fieber, Stechen in der Lunge und kaum Kraft aus dem Bett zu kommen. Es war ein Hochbett in meiner Studentenwohnung und mir wurde schon beim Aufrichten schwindelig. Wie sollte ich die Leiter heil runterkommen?
„Ich gehe ins Martin-Luther-Haus“ überzeugte ich mich selbst. „Ich werde schon irgendwie hinkommen mit Gottes Hilfe. Hingehen ist so ein Akt des Glaubens, Gott wird sehen, dass ich mich auf den Weg gemacht habe.“
Ein Pfarrer im Ruhestand machte dort Abendgottesdienste, bei denen auch für Menschen persönlich gebetet wurde. Auch für Kranke. Das hatte ich erfahren.
Langsam schleppte ich mich zum Gottesdienst. An einem Punkt kam ich nicht weiter und lehnte mich an ein Garagentor. Ich war zu erschöpft um weiter zu gehen. Sollte ich lieber umkehren?
Kapernaum, im Jahr 30
„Wir müssen unbedingt dort hinkommen.“ Wir wollten uns von der Situation nicht unterkriegen lassen. So gingen wir weiter und erreichten den Ort. Wir waren spät angekommen. Der Raum war voller Leute. Wir konnten nicht zuerst mit dem Rabbi sprechen wegen dem Gebet für unseren Freund. So entschieden wir durchzudringen. Es war nicht möglich. Die Leiden unseres Freundes waren schlimm und die Menschen waren wie eine feste Wand. Wir wollten Jesus nahe sein, doch eine Barriere stand dazwischen. Ich fühlte mich elend. Jetzt waren wir so weit gekommen und konnten nicht einmal für unseren Freund beten lassen.
Aachen, 1992
„Ich muss unbedingt dort hinkommen und wenn nur um Gott zu ehren mit Lobliedern.“ Ich wollte mich von der Situation nicht besiegen lassen. So ging ich weiter und erreichte den Gottesdienst. Ich war spät angekommen. Der Raum war voller Leute. Ich konnte nicht zuerst mit dem Pfarrer sprechen wegen dem Gebet für mich. So entschied ich mich mitzusingen. Es war nicht möglich. Die Schmerzen in meiner Brust und das schwere Athmen waren wie eine feste Wand. Ich wollte Jesus nahe sein, doch eine Barriere stand dazwischen. Ich fühlte mich elend und betete verzweifelt: „Jetzt bin ich bis hierher gekommen und kann nicht einmal anbeten.“
Kapernaum, im Jahr 30
Wo kein Weg ist, muss jemand einen bahnen. So bahnten wir unserem Freund einen Weg. Das Dach wurde von uns aufgerissen und wir senkten unseren Freund hinab in die Gegenwart Jesu.
Gott heilt? Gilt das noch heute?
Aachen, 1992
Ich sah keinen Weg, aber jemand bahnte ihn mir. Gott bahnte mir einen Weg. Es war als würde das Dach aufgerissen und es senkte sich die Gegenwart Jesu auf mich. Grade noch erschien alles so unmöglich, aber jetzt erlebte ich, wie meine Lunge frei wurde, die Schmerzen wichen. Eine Freude und ein starker Trost kamen auf mich. Ich war geheilt.
Kapernaum, im Jahr 30
Ich war erleichtert, wir hatten es geschafft. Jesus wandte sich unserem Freund zu, sagte seine Sünden seien vergeben. Er sagte „Stehe auf!“ Ein starker Trost kam auf mich.
Grade noch erschien alles so unmöglich, aber jetzt erlebte ich, wie er frei wurde sich zu bewegen und die Schmerzen wichen. Er war geheilt.
Ich sah aber auch verärgerte Gesichter. Einige sagten es sei unverantwortlich einfach Sünden zu vergeben, das könne allein Gott. Jesus könne ja möglicherweise heilen – aber Sünden vergeben? Da überschreitet er seine Kompetenzen. Sie sahen Jesus für geringer an als die Gesetze des Tempels.
Er fragte sie: „Was ist schwerer zu sagen – es sei dir vergeben oder sei geheilt?“ und bewies durch ein Heilungswunder, dass er die Macht hat beides zu sagen.
Aachen, 1992
Tags darauf fuhr ich zum Arzt. Ich war erleichtert, die Krankheit war geschafft. Ich verspürte noch ein leichtes Stechen und wollte das untersuchen lassen. Der Arzt ließ mich gleich röntgen. Das erschien mir etwas übertrieben, aber als er das Ergebnis sah, meinte er ich hätte eine Lungenentzündung gehabt. Ich fragte Ihn ob man etwas unternehmen könne. Er verneinte, die Krankheit sei durchgestanden, es seien nur die verbliebenen Narben zu sehen. Darauf erzählte ich ihm, dass ich noch am Vorabend sehr krank gewesen sei und wie die Krankheit während des Abendgottesdienstes verschwunden sei.
Ich sah in sein verärgertes Gesicht. Er sagte es sei unverantwortlich in Gesundheitsfragen auf Gott zu vertrauen, das könne allein die Medizin. Jesus mag ja Sünden vergeben – aber heilen? Da überschreitet der Glaube seine Kompetenzen. Das übersteigt was vernünftig ist. Er sah Gott für geringer an, als die Gesetze seiner Wissenschaft.
Ungefähr 1960 Jahre liegen zwischen beiden Berichten.
Wie es in Kapernaum war, kann ich mir nur vorstellen. An das, was in Aachen geschah, erinnere ich mich sehr genau.
Gott ist immer der selbe, aber Menschen trauten und trauen ihm unterschiedliche Dinge zu. In Kapernaum war es schwer zu glauben, dass Gott einfach Sünden vergibt. Das widersprach den Gesetzen des Tempels – für Vergebung brauchte es zuerst ein Opfertier. Die Gesetze des Tempels haben für uns heute nicht mehr so große Bedeutung. Wir orientieren uns eher an Gesetzen der Vernunft und was von einem naturwissenschaftlichen Standpunkt möglich ist.
In Psalm 29 steht:
… gebt dem HERRN Ehre und Macht!
Es geht hier nicht um die Macht als solche, denn er ist schon allmächtig, sondern darum, wie viel von dieser Macht sich in unserem Leben zeigen darf.
Wir Menschen haben durch unser Ja oder Nein, durch unser glauben oder nicht, durch unser zustimmen oder verweigern großen Einfluss darauf.
Die Pharisäer setzten Jesus Grenzen beim Vergeben. Auch wir setzen Gott Grenzen – halt nur andere. Wo wir die Grenze legen, bestimmt dabei oft unser Verstand, das was sich mit unserer Vernunft vereinbaren lässt.
Jesus sagte: Glückselig, die glauben ohne zu sehen. Das bedeutet auch: Die glauben was sie NOCH NICHT gesehen oder erlebt haben. Die glauben, dass Gott noch Neues und Unbekanntes in unser Leben bringen kann. Das Erlebnis 1992 in Aachen hat mich gelehrt Gott keine Grenzen zu setzen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Vermutlich tue ich es trotzdem unbewusst. Ich denke das ist nur allzu menschlich.
Glaube ist auch Gottes Einladung ihn immer wieder neu zu entdecken. Wir entdecken ihn als den Vergebenden, den Tröstendern, den Heilenden oder den Lenker von Fügungen in unserem Leben. Lasst uns Gott und seine Güte erwarten in allen kleinen und großen Angelegenheiten des Lebens. Auch wenn er dabei einmal die Grenzen unserer Vernunft überschreiten sollte.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Gott heilt? Gilt das noch heute?