Ich möchte heute von einem Mann berichten, der das Größte erlebt hat, das einem im Leben geschehen kann. Das Wichtigste im Leben. So sagt er das selbst ohne Einschränkung. Darüber hinaus sagt er, dass dieses Erlebnis nicht für ihn allein ist. Alle Menschen sollen das erleben. Er hat das so ausgedrückt:
4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,
5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden -;
6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,
7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.
8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es,
9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber wenn ich diese Worte lese merke ich, dass da jemand sehr überzeugend von etwas Großem redet, das er erlebt. Er redet von mehr als Theorien oder Philosophien. Er spricht vom echten Leben. Er ist voller Freude und Begeisterung.
Es ist so viel Überschwänglichkeit in diesen Sätzen. Kann es sein, dass er das Wichtigste im Leben gefunden hat?
Es geht um den Glauben an Jesus Christus. Ein Mensch berichtet, was der Glaube in seinem Leben bewirkt hat. Er betont dabei, dass das nicht nur sein Erlebnis ist, sondern auch das seiner Leser.
Das Thema ist zu gewaltig um es schnell erfassen zu können.
Es ist wie in folgendem Beispiel:
Wer selber nie verliebt war, wird nicht wirklich verstehen, wovon Verliebte reden.
So wie mit der Liebe ist es auch mit dem Glauben:
Wer selber nie geglaubt hat, wird nicht wirklich verstehen, wovon Glaubende reden.
Liebe, Glaube und Hoffnung sind aber grade die besonders wichtigen und wertvollen Dinge im Leben. Darum möchte ich uns diese Worte einmal in einigen Bildern näher bringen.
Zuerst möchte ich den Schreiber vorstellen. Es ist der Rabbi Schaul aus Tarsus oder einer seiner Schüler. Ich nehme an, sie haben es erraten: Es ist der Mann, der bei uns als Paulus bekannt ist und der Text ist aus dem Epheserbrief.
Die Überschwänglichkeit, mit der er den Reichtum der Gnade beschreibt, ist keine Dichtung sondern ein Bericht: Er meint es wirklich so wie er schreibt.
In seiner Beschreibung finden wir auch die Sätze „wir waren tot“ und „wir sind mitauferweckt“. Diese Einsichten verdankt er sicher dem Erlebnis, wie er persönlich zu Jesus kam. Paulus ist jemand mit einem klaren Vorher-Nachher Erlebnis. Vielleicht ist er das mehr als jeder Andere.
Als streng frommer Eiferer sah er sich als religiöse Polizei berufen. Er wollte diese neue „Sekte aus Nazareth“ bekämpfen und für den rechten Glauben einstehen. Das war für Ihn das Wichtigste im Leben. So unterwegs traf ihn das Licht des Himmels und der auferstandene Jesus redete mit ihm. Ein Erlebnis, dass ihn wörtlich aus dem Sattel warf und eine Zeit lang blind sein ließ. Danach war alles anders: Den alten Menschen gab es nicht mehr – ein neuer war geboren.
Weil er diesen radikalen Wandel vollzogen hat, kann er den Unterschied von vorher zu nachher genauestens spüren. So präzise kann das nicht jeder. Wenn man die Leute fragt: „Wann bist du zu Jesus gekommen?“ können einige das an einem Datum festmachen. Andere sagen: „Das hat sich schrittweise entwickelt“ oder „ich bin so aufgewachsen und wüsste nicht, dass ich einmal anders gewesen bin.“
Im Epheserbrief wird das „Vorher“ eindeutig benannt: Es ist „tot sein“. Nicht Verirrung, Verwirrung, Sünde oder „verloren gegangen“ sondern Tod. Damit macht er uns die Tragweite des Geschehens bewusst. Das „Nachher“ wird als Leben beschrieben. Deutlicher kann man nicht unterscheiden.
Paulus hatte sich bekehrt. Nicht von links nach rechts, sondern von unten nach oben. Nicht von einer Religion zur andern, sondern vom Tod zum Leben.
- Er war ein Mann der Religion, dann wurde er ein Mann Gottes.
- Er versuchte den Willen Gottes zu tun, dann fing Gott an seinen Willen durch ihn zu tun.
- Das Gesetz wirkte auf ihn ein, dann wirkte Gottes Geist aus ihm heraus.
- Sein Lebensprinzip wurde ins genaue Gegenteil gekehrt.
Bekehrung ist so ein Wort. Ich wurde schon einmal angesprochen: Ich solle das Wort „Bekehrung“ in der Kirche nicht benutzen. Das würde an Sekten erinnern. Eine Bekehrung, wie Paulus sie beschreibt, wünsche ich aber jedem Menschen – auch wenn es nicht so dramatisch ausfallen dürfte wie bei Paulus. Außerdem: Die evangelische Kirche würde vermutlich nicht existieren, wenn ein gewisser Martin Luther nicht die Entdeckung des „gnädigen Gottes“ gemacht hätte und sich entschlossen zu seiner Entdeckung gestellt hat. Auch er hat sich von seiner vorherigen Religiösität zu einem erneuerten Glauben bekehrt. Mit den Worten des Reformators: Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren und durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten. […] Wie sehr ich vorher die Vokabel »Gerechtigkeit Gottes« gehasst hatte, so pries ich sie nun mit entsprechend großer Liebe als das mir süßeste Wort.
Paulus und Luther beschrieben den Wandel mit allem Nachdruck. Wenn ich mir frei aussuchen könnte, wer mir helfen sollte das genauso nachdrücklich zu präsentieren, würde ich so wählen:
Ein großes Filmstudio.
An das würden wir den Auftrag vergeben, aus den Versen ein Drehbuch zu schreiben und einen spannenden Film damit zu drehen.
Es vergehen einige Monate und dann ist Filmpremiere. Also: Gehen wir ins Kino. Wir könnten in etwa Folgendes zu sehen bekommen:
Zwei Wissenschaftler, der Held und die Heldin des Films, entdecken ein Mittel oder Gerät, dass die Menschen die Wahrheit sehen lässt: Die schonungslose, kompromisslose, absolute und gnadenlose Realität. In einem Selbstversuch wenden sie das Mittel an.
Ihre Augen öffnen sich und Sie erkennen alle Dinge, wie sie wirklich sind. Keine Lüge, keine Show oder Täuschung kann sie blenden. Als das Mittel seine volle Wirkung entfaltet und sie alle Wahrheit erkennen, geschieht das Schreckliche:
Das Aussehen der Menschen verändert sich. Die Gesichter der Menschen erscheinen grau und vertrocknet. Sie sind voller Staub und Spinnweben auf den Haaren und der Kleidung. Die Augenhöhlen sind leer und starr. Die Menschen laufen mechanisch, wie wandelnde Tote. Beim Blick in den Spiegel erschrecken unsere Hauptdarsteller: Sie selber sehen auch aus wie Untote, wie Wiedergänger aus dem Grab, wie alle Anderen.
Die Wissenschaftler erkennen, dass die Menschen schon lange tot sind, es aber nicht wissen. Sie beginnen nach den Ursachen zu forschen. Sie finden sie heraus: Die ganze Menschheit ist von einer Krankheit befallen. Die führt dazu, dass sie sterben. Da sie die ganze Wahrheit sehen können, sehen sie die Seelen der Sterbenden hoffnungslos an einen trostlosen Ort unter der Erde versinken. Unsere Helden suchen nach einem Weg, diese Katastrophe zu beenden oder rückgängig zu machen.
Sie versuchen Verschiedenes, aber alles scheitert. Sie durchforschen Bibliotheken. Sie wissen nicht was sie tun sollen und wollen schon aufgeben. Doch dann treffen Sie jemanden, der nicht wie ein Toter aussieht, sondern lebendig. Dieser Mensch verrät sein Geheimnis.
Seine geheimnisvolle Lösung lautet: „Gnade durch Glauben an Jesus“.
Um diese Gnade sollen sie demütig bitten und glauben, dass sie sie empfangen. Sie bitten, zuerst förmlich, dann immer intensiver, bis sie den Himmel anflehen. Plötzlich geschieht es:
Der Himmel öffnet sich.
Ein Wasserfall fällt vom Himmel herab auf die Menschen. Staub und Spinnen werden abgewaschen. Vom Wasser benetzte Menschen werden lebendig. Ihre Haut wird farbig und glatt, ihre Augen leuchten, ihre Münder lachen. Es ist das Wasser des Lebens. Es werden alle Menschen aufgerufen unter den Wasserfall zu gehen. Viele folgen dem Aufruf, aber nicht alle sind bereit dazu.
Ein dramatischer Film. Die Wirklichkeit ist ebenso dramatisch, auch wenn wir sie nicht in ihrer ganzen Härte sehen. Wir sind Opfer der Sünde, die uns den Tod bringt. Es ist die Trennung von Gott als Quelle des Lebens.
Bei Sünde denkt man schnell an den Täter auf der Anklagebank. Ich betone hier aber bewusst einen anderen Blickwinkel: Wir sind auch Opfer der Sünde. Die Sünde tötet uns. Sünde ist nicht dasselbe wie Schuld. In der Sünde ist der Mensch gefangen. Manchmal sündigt er sogar gegen seinen Willen, wenn er zum Beispiel durch Sucht versklavt ist oder keine Alternativen sehen kann.
Schuld wird vergeben, von Sünde brauchen wir Erlösung oder Befreiung. Das ist ein Unterschied. Einige fordern, dass wir uns selber nun fortwährend als Sünder verstehen sollen, aber sehen wir genau hin. In der Schriftstelle heißt es: Ich WAR tot in meinen Sünden. Das ist Vergangenheitsform.
Der Status hat sich also geändert. Es kann passieren, dass ich noch immer Sünde TUE. Das ist aber nicht was ich BIN.
Jemand war ein Bäcker. Dann hat er umgeschult und einen anderen Beruf ergriffen. Er ist kein Bäcker mehr. Gelegentlich backt er vielleicht nochmal einen Kuchen, aber das ist nicht mehr sein Beruf. Er ist jetzt etwas Anderes.
Ich bin nicht mehr „hauptberuflich“ Sünder.
Es wird auch gerne das Bild von der Raupe, die zum Schmetterling wird gebraucht. Dazu haben wir heute ein kleines Büchlein als Geschenk, dass wir Ihnen am Ende des Gottesdienstes überreichen.
Das bedeutet es Christ zu sein: Wir haben einen grundlegenden Wandel vollzogen. Wenn wir schon jetzt keine Sünder mehr sind, sollten wir allerdings die Tat-Sünden auch ablegen. Die passen nicht mehr zu unserer neuen Natur. Es geht dabei aber nicht darum die Gerechtigkeit zu erreichen, sondern die Gerechtigkeit zu leben, die wir schon haben. Da steht da ja auch geschrieben: Diese neue Natur ist geschaffen um GUTE Werke zu tun, die Gott sogar für uns vorbereitet.
Ob nun mit den Worten von Paulus, Luther oder durch die Übersetzung in einen Film: Dieses Erleben von Glauben legt einen hohen Standard.
Als Hörer können wir unterschiedlich darauf reagieren.
Man kann sich mit Paulus freuen oder Hoffnung schöpfen, dass es mehr Gnade gibt als man bisher kennen gelernt hat.
Manche könnten mutlos werden, angesichts dieses Lobes auf die Erlösung. Sie vergleichen sich und sehen ihren Glauben als schwächer an. Das Spannungsfeld gab es auch bei Luther. Er ist diesem Spannungsfeld nicht ausgewichen und hat großen Gewinn gehabt. Mit dieser Schriftstelle können auch wir herausfinden, wie weit unser Herz die Gnade verstanden hat und vor allem, wie viel mehr Gnade wir noch erfahren dürfen.
Das schönste ist ein Glaubensleben, wie Paulus es in Epheser beschrieben hat. Wer in seinen Jubel mit einstimmen kann und den Glauben genau so erlebt, bewegt sich in der völligen Freude des Evangeliums.
Ein anderer Mensch sagt vielleicht „Ich versteh nur Bahnhof – ich kann nicht nachvollziehen worum es dem Paulus geht“. Das soll es sein, das Wichtigste im Leben?
Dieser Mensch kann die Gnade aber entdecken! Er soll sie entdecken und erleben! Gott gibt uns seine Worte nicht, damit wir neidisch oder frustriert zurückbleiben. Er will Anreiz schaffen. Wir sollen mehr von seiner Güte kosten. Wo immer wir uns selber verorten: bei 40, 60 oder 80 Prozent der erkannten Gnade – dieses Wort spricht zu uns:
Es gibt mehr für uns.
Gott will uns tiefer mit Dankbarkeit und Freude erfüllen. Dazu müssen wir aber einen Blick für die Gnade bekommen. In welchem Maß wir seine Gnade erkannt haben ist nicht einfach nur Schicksal. Unser Vater möchte uns an die Hand nehmen und führen.
Die persönliche Entdeckung ist entscheidend. Paulus konnte nicht ohne. Luther konnte nicht ohne.
Unser Beitrag dazu ist in erster Linie: Ihm vertrauen. Glauben, dass er an uns wirksam ist. Dabei hilft es diese Worte immer wieder zu verinnerlichen, sich damit beschäftigen, bis sie einem persönlich aufgehen. Das ist wie das bewusste Hineingehen in den Wasserfall vom Himmel aus unserem Film.
Drucken Sie Epheser 2 aus, und hängen Sie es über ihren Schreibtisch oder wo Sie immer wieder hinsehen. Die Güte Gottes erschließt sich manchmal schrittweise mit der Zeit.
Mir hilft es besonders, wenn ich mir bewusst mache, was ich schon von Gott erhalten habe. Ich sage mir die Kernsätze meditierend selber vor. Wenn Sie möchten, schließen Sie doch einmal die Augen und lassen Sie diese Worte auf sich wirken. Bei dieser Bibelstelle wäre es:
- Gott ist mir barmherzig.
- Er hat mich lebendig gemacht.
- Ich bin selig geworden.
- Er hat mich im Himmel eingesetzt.
- Er hat mich neu geschaffen und bereitet gute Pläne für mich vor.
Ich habe es schon, brauche es nicht mehr zu erreichen. Das macht mich frei von falschen Motiven. Alles was ich noch erreichen muss, ist im Einflussbereich der Eifersucht, des Wettbewerbes und der Vergleiche mit anderen. Das ist der Einfluss des „sich Rühmen“.
Ich habe immer die Gnade, auch wenn ich mich gelegentlich nicht danach fühle. Wenn wir unser Bewusstsein durch diese Wahrheiten prägen lassen, nimmt das große Lasten von uns.
Das bedeutet es zu glauben. Das Wichtigste im Leben.
Amen